Fasching, Fasnet, Karneval – da ziehen manche Mitmenschen gerne riesige Brillen auf. Brillen, die glitzern oder blinken sind besonders beliebt und bieten einen witzigen Blickfang.
Hinter diesen Brillen kann ich mich verstecken, eine andere Rolle einnehmen, meinen Blickwinkel im wahrsten Sinne des Wortes ändern.
Ein nettes Accessoire während den letzten Fußball Europa- und Weltmeisterschaften, waren Brillen in Schwarz-Rot Gold, durch die man, je nach Ausführung mehr oder weniger gut sehen konnte. Während des Spiels war es daher meist sinnvoller sie abzusetzen, wenn man am Geschehen dran bleiben wollte. Aber nicht nur zur Faschingszeit oder während eines internationalen Fußballturniers haben wir besondere Brillen auf. Der Fan trägt meist eine andere Brille als der Schiedsrichter, der Trainer eine andere als der Sportler oder die Sportlerin und der Präsident wiederum eine andere als der Trainer.
Lehrer sehen durch ihre Brille anders als die Schüler und Eltern wiederum anders als ihre Kinder. Wir alle haben unsere je unterschiedlichen Brillen auf, beurteilen Situationen anders, sehen andere Menschen und ihre Fehler oder Schwächen durch unsere eigene Brille.
Wäre es nicht sinnvoll unsere Brille ab und an abzusetzen, so wie die bunten Fanbrillen beim Fußballspiel und einen ungetrübten Blick auf das Geschehen zu werfen?
Wenn ich mich manchmal so umsehe, ob beim Sport, in der Schule, in unserer Nachbarschaft, oder in der Familie, dann kommt mir ein Satz aus dem Matthäusevangelium in den Sinn:
„Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
Ich finde, da ist was Wahres dran. In einer sportlichen und kameradschaftlichen Atmosphäre sollten wir unsere Brillen eigentlich nicht nötig haben. Wir sollten einander helfen, den Durchblick zu bewahren. Wüste Beschimpfungen und Tätlichkeiten am Spielfeldrand, nur weil Zuschauer, Eltern, Trainer und Schiedsrichter jeweils ihre spezielle Brille aufhaben. Ausgrenzungen, weil jemand anders ist, als ich. Pfiffe gegen die andere Mannschaft, weil die Eigene schlecht spielt. Diese Dinge sind bei uns Wochenende für Wochenende an der Tagesordnung, Spiele müssen unterbrochen, ja manchmal sogar abgebrochen werden.
Sehen wir mal nicht immer auf die Fehler und Versäumnisse der anderen und fangen bei uns selber an.
Setz mal deine Brille ab!
– Mechthild Foldenauer